Duelle
I.
Das deutsche Studentenduell.
Eines Tages erhielt mein Geschäftsträger im Interesse der Wissenschaft die Erlaubnis, mich in das Pauklokal an der Hirschgasse mitzunehmen, wo die Heidelberger Korps ihre Mensuren ausfechten: ein heller, hoher, geräumiger Saal im ersten Stockwerk des idyllisch gelegenen altberühmten Wirtshauses »zum Hirschen«.
Wir trafen daselbst etwa 50–75 Musensöhne, die sich an den langen längs der Wände aufgestellten Tischen die Zeit bis zum Beginn der Paukerei mit Kneipen, Karten- oder Schachspiel, Schwatzen und Rauchen vertrieben. Man sah fast nur farbige Mützen: Weiße, grüne, blaue, rote und hellgelbe; es waren mithin sämtliche fünf Korps stattlich vertreten. Am einen Ende des Saales war für die Paukerei ein Stück frei gelassen, und hier standen an den Fenstern 6-8 lange schmale Schläger mit mächtigen Körben zum Schutz der Hände, während draußen ein Mann damit beschäftigt war, noch eine Anzahl solcher an einem Schleifstein zu schärfen. Er verstand seine Sache, denn jeder Schläger, der aus seiner Hand kam, konnte es mit dem schärfsten Rasiermesser aufnehmen.
Der Verkehr zwischen den Angehörigen der verschiedenen Korps beschränkte sich auf die kalten, förmlichen Verhandlungen der Chargierten behufs Vorbereitung der Mensuren. Kameradschaftlicher Umgang zwischen Angehörigen verschiedener Korps wird nicht geduldet, weil man glaubt, die Beteiligten würden dadurch die rechte Schneide und den Eifer für die Mensur verlieren. Kurz vor dem Tage, an dem ein Korps die Reihe trifft loszugehen, ruft dessen Präses Freiwillige zur Mensur auf, worauf sich denn auch eine Anzahl meldet, die jedoch nicht unter drei betragen darf. Die Namen der Betreffenden werden den Vorständen der anderen Korps mitgeteilt, und diese sind dann bald in der Lage, die entsprechende Anzahl von Mitgliedern ihrer Korps zu bezeichnen, welche sich bereit erklären, die Forderungen anzunehmen. Heute war gerade die Reihe zur Forderung an den Rotmützen; die Gegner, die sich gemeldet hatten, gehörten verschiedenen anderen Korps an. Seit 250 Jahren spielen sich nunmehr in diesem Raum in der hier beschriebenen Weise die Mensuren zweimal in jeder Woche während sieben bis acht Monaten im Jahre ab.
Wir waren eben mit den Weißmützen, von denen wir unsere Einladung erhalten hatten, im Gespräch begriffen, als die beiden, die zuerst an die Reihe kommen sollten, in ihrem – deutschen Lesern wohlbekannten – abenteuerlichen Paukwichs von Kommilitonen aus einem Nebenzimmer hereingeführt wurden. Nun drängte alles nach dem leeren Ende des Saales, wo wir uns ebenfalls einen guten Platz verschafften. Die Kämpfer traten einander gegenüber; um jeden derselben scharten sich eine Anzahl Kameraden, um ihm nötigenfalls Beistand zu leisten; die Sekundanten, gleichfalls bandagiert und den Schläger in der Hand, traten ihnen zur Seite; der Unparteiische, der den Kampf zu überwachen hatte, nahm seinen Platz ein; endlich trat noch ein Student mit der Uhr und einem Notizbuch in der Hand, das die erforderlichen Einträge über die Zeitdauer und die Zahl der Beschaffenheit der Schmisse aufnehmen sollte, sowie der grauhaarige Paukarzt mit seinem Verbandzeug und seinen Instrumenten auf den Plan. Für einen Augenblick herrschte jetzt Ruhe, und sämtliche bei der Mensur Beteiligten traten der Reihe nach auf den Unparteiischen zu, um demselben ihren achtungsvollen Gruß darzubringen, worauf sie ihre Plätze wieder einnahmen. Nun war alles bereit; den Vordergrund füllte dicht gedrängt die Schar der Zuschauer, zum Teil auf Tischen und Stühlen stehend, die Blicke voll Spannung auf den Kampfplatz gerichtet.
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