Das Oktoberfest
Der Bühnenhintergrund zeigt ein buntes Panorama des Oktoberfestes, auf dem man Buden aller Art erkennt. Ganz im Hintergrund ragt ein großes Praterrad in den Himmel, weiß-blaue Fahnenstangen tragen Wimpel und zweizipfelige Fahnen in den Landesfarben oder Fichtenkränze. Von anderen Masten sind Leinen mit Wimpeln gezogen. Ganz rechts im Vordergrund ist halb von der Seite eine Schaubude zu sehen, vor der ein kleines Podium aufgebaut ist; bunte Bilder von der Riesendame Wiesi-Wiesi und dem Ohrenphänomen Tafit hängen an den Zeltwänden. Daneben hat die Hellseherin ihren Wahrsagestand errichtet, das Glücksrad schließt sich weiter hinten an. Weitere Schaubuden folgen nach der Bühnenmitte zu: die Menschenfresser, ganz im Hintergrund erkennt man die Schichtl-Bude, deren Podest ebenfalls ein wenig in die Bühne hineinragt. Ein großes Bierzelt im linken Vordergrund ladet durch Tische und Bänke zur Brotzeit ein. Links davon hat der Lukas seinen Stand aufgemacht, an dem ein großer weiß-blauer Mast mit dem Schild ›10 Pfennig‹ und einer Pappe voller Orden emporragt. Der Schlegel liegt zum Ausholen bereit. Während des ganzen Spiels wird die Szene von stummen Passanten belebt, die von einer Bude zur andern in beiden Richtungen lustwandeln.
Sie (Liesl Karlstadt) hat ein buntgeblümtes, hochgeschlossenes Musselinkleid mit langen Ärmeln an, auf dessen weißem Brustlatz unordentlich eine schwarze Schleife hängt. Ihr altmodischer Topfhut ist mit einem Sträußchen Himmelsschlüssel geschmückt.
Er (Karl Valentin) hat sich fein gemacht und offenbar seinen guten blauen Anzug zum Wiesenfest hervorgesucht, der förmlich nach Mottenkugeln riecht. Um den steifen Gummikragen mit seinen verschwitzten Ecken ist eine bunte altmodische Schleife gebunden. Der kurze, hellbraune Sommerüberzieher ist aufgeknöpft. Darum sitzt er nie richtig, sondern zipfelt nach allen Seiten. Er trägt einen Schnurrbart, der ehemals vielleicht nach der Mode »Es ist erreicht« nach oben gezwirbelt war, jetzt aber melancholisch rechts und links nach unten hängt, nur die äußersten Spitzen heben sich ein klein wenig. Auf der breiten, kurzen Nase sitzt schief ein altmodischer Zwicker, der an einer Seidenschnur befestigt ist, wie man es zuweilen bei kleinen Beamten noch sehen kann. Auf die militärisch kurzgestutzten Haare hat er einen grauen Filz gestülpt, dessen Krempe rund nach allen Seiten lustig, aber unregelmäßig emporstrebt, während der Kopf bereits jede Fasson verloren hat. Die Tabakspfeife, die er später aus dem angebrannten Taschenfutter zieht, ist eine Reformpfeife; man kann das Mundstück über den Kopf drehen.
Weiterlesen „Karl Valentin | Die Raubritter vor München | Das Oktoberfest“