Die Geschichte von Faßhand und Laßhand.
Im Tale zwischen den grünen Waldbergen lag das graue Städtlein mit Giebeln und Stadtmauer, mit Kirche und hohem Turm. Am Stadttore hatte der Faßbindermeister sein Haus mit geräumigem Hof und luftiger Werkstatt und da gab es den ganzen Tag ein gar lustiges Hämmern, wenn er die weißen Bottiche zimmerte und die großen Fässer mit Reifen umwand. In der Stube oben saß indessen die Meisterin und hatte zwei Büblein in der Wiege, die in der alten Stadtkirche auf die Namen Peter und Paul getauft waren. Aber niemand nannte die Zwillinge bei diesen Namen. »Faßhand« nannte die Meisterin den größeren, braunäugigen und rotbackigen Bruder, der mit beiden festen Fäustchen nach allen Dingen griff, die in seine Nähe kamen, war es ein Spielzeug oder ein gelbes Äpflein oder gar der lange Bart des Vaters. Das Brüderchen aber, das zumeist still in dem Bettchen saß und mit großen blauen Augen nach einer Fliege oder einem Schmetterling sah und dem eine bunte Blume der lieblichste Anblick war, wurde nur »Laßhand« genannt, denn es ließ sich sanft und geduldig alles aus den Händen nehmen, was der größere Bruder verlangte, die Schelle und den Ball und sogar seinen liebsten Gefährten, den braunen Bären. »Das ist gar kein richtiger Junge!« zürnte der Vater, wenn er das sah, und ließ den lustig kreischenden Faßhand auf seinem Knie reiten. Die Mutter aber nahm das stille Bübchen aus der Wiege, trug es im Garten von Blümlein zu Blümlein und sang: