Zweites Kapitel.
Kindheit
Unbeschreiblich ist der Reiz, den unser altes Wohnzimmer in meiner Kindheit für mich hatte. Es war mir streng verboten worden, irgend etwas anzufassen; doch wurde ich nie müde, mir die ›Kuriosa‹, wie mein Vater sie nannte, anzusehen, was wohl zur Genüge beweist, wie groß ihre Anziehungskraft für mich war. Denn welches Kind mag lange beschauen, was es nicht anfassen darf? All diese Sachen riefen in mir kindliche, harmlose Gedanken wach. Meines Vaters Gespräche, wenn er daheim war, die Geschichten, die mir meine Mutter von seinen Reisen erzählte, und die Wunder der tiefen See kamen mir bei meinen Gedankenbildern zu Hilfe oder bildeten vielmehr das Fundament derselben. Meine frühesten Erinnerungen sagen mir, daß ich die Speere und den Schild über dem ovalen Spiegel nie ansehen konnte, ohne an unermeßliche blaue Wasserflächen und an grüne, schimmernde Inseln zu denken, die wie in einem Bette flüssigen Glases ruhten. Ich sah im Geiste dunkle Gestalten durch die schneeweiße Brandung schwimmen oder auf dem goldgelben Sande dahinlaufen; die Luft war mit dem Dufte der Orangen- und Limonenbäume erfüllt und die würzigen Haine verbreiteten einen berauschenden Geruch. Die chinesischen Elfenbeinschnitzereien ließen mich von Elefanten und grünen sonnenschirmähnlichen Palmen und seltsam geformten Tempeln träumen, deren Inneres von Edelsteinen glänzte. Wahrhaftig, im Herzen war ich schon wanderlustig, als ich noch nicht alt genug war, meine Hafergrütze allein zu essen, und ich schwärmte für Seeleute und Schiffe und flog im Geiste wie ein Vogel über den Spiegel des Ozeans, noch ehe meine Zunge die Worte korrekt aussprechen konnte.
Weiterlesen „William Russell | Die Seekönigin [ 2/27 ]“