Eugen Roth | Der Sparsame

Ein Mensch, in langem Lebenslauf.
Hebt kurzweg alles, alles auf.
Was man vielleicht noch einmal braucht:
Zigarrenkisten, ausgeraucht.
So Wein- wie Apothekerflaschen.
So Packpapier wie Tragetaschen.
Auch hat er Schnüre aller Art
Erst aufgeknüpft, dann aufgespart.
Hat Korken. Klammern, Schrauben, Nägel.
Gehortet sich nach strenger Regel.
Ihn selber bringt es oft zum Rasen.
Wie alle mit Verpackung aasen;
Er freut sich schon des Augenblicks.
Wo, am berühmten Tage X.
Zusammenbricht das Wiirtschaftswunder
Lnd Sachwert wird, was heute Plunder.
Er sieht im Geist schon dasGebettel
Um Gurnmischnürchen, leere Zettel.
Und wie er gnädig, fast ein Gott.
Mit Güte heimzahlt allen Spott.
Doch leider, eh er so umworben.
Ist unser guter Mensch gestorben.
Und herzlos werfen seine Erben
Das ganze Zeug zu Schutt und Scherben.

Eugen Roth (1895-1976)

Eugen Roth | Altes Volksmittel

Wer Gelbsucht hat, der heilt sie bald:
Er gehe in den nächsten Wald
Und schau (und glaube fest daran!)
Durchdringend einen Grünspecht an.
Nur reden darf er keine Silben!
Der Grünspecht wird sofort vergilben.
Der Kranke aber, kerngesund,
(Sofern er diesen Vogel fund,
Der ihm gegangen auf den Leim)
Geht mir nichts, dir nichts, wieder heim.

Durchfall

Wenn einer viele Wochen lang
Den Prüfungsstoff, den er verschlang,
Und der, zumal er schlecht gekaut,
Ihm liegt im Magen, unverdaut,
Nun plötzlich, ausgequetscht wie toll,
Durch Reden von sich geben soll:
Was Wunder, daß sein Hirn verstopft,
Das Herz ihm klopft, der Schweiß ihm tropft!
Zum Munde kommt ihm nichts heraus,
Doch irgendwo muß es hinaus –
Wild rast es in ihm eingeweidlich
Und Durchfall ist dann unvermeidlich!

Eugen Roth | Wasserheilkunde

Soll eine Pflanze richtig sprießen,
Dann muß man sie bekanntlich gießen.
Dies brachte Kneipp schon zu dem Schluß:
Die wahre Heilkraft liegt im Guß.
Ihn preist die Welt – und nur der Pudel
Nennt unser Lob bloß ein Gehudel,
Weil ihn schon immer sehr verdrossen
Laut Volksmund, wenn man ihn begossen.
Doch nie hält auf das arme Vieh
Den Sieg der Hydrotherapie!

Eugen Roth (1895-1976)

Eugen Rot | Schönheit

Die Welt, du weißts, beurteilt dich,
Schnöd wie sie ist, nur äußerlich.
Drum, weil sie nicht aufs Innere schaut,
Pfleg du auch deine heile Haut,
Dass Wohlgefallen du erregst,
Wo du sie auch zu Markte trägst.
Die Zeitung zeigt dir leicht die Wege
Durch angepriesene Schönheitspflege.
Durch Wässer besser als mit Messer
Hilft dir ein USA – Professer,
Und ein Versandgeschäft im Harze
Hat Mittel gegen Grind und Warze
Und bietet dir für ein paar Nickel
Die beste Salbe gegen Pickel.
Sie macht die Haut besonders zart,
Ist gut auch gegen Damenbart,
Und ist, verändert kaum im Titel,
Auch ein erprobtes Haarwuchsmittel,
Soll gegen rote Hände taugen
Und glanzbefeuern deine Augen
Und wird verwendet ohne Schaden
Bei Kropf und bei zu dicken Waden,
Ist aber andrerseits bereit,
Zu helfen gegen Magerkeit
Und ist, auf Ehre, fest entschlossen,
Zu bleichen deine Sommersprossen.
Sie wird sich weiterhin entpuppen
Als Mittel gegen Flechten, Schuppen,
Ist, was besonders angenehm
Für Frauen, gut als Büstencrem
Verwendbar, und zwar, wie man wolle,
Für schwache Brust und übervolle.
Sofern du Glauben schenkst dem Frechen
Hast nichts zu tun du, als zu blechen.
Die Salbe selbst wird, nachgenommen,
Und wohnst du am Nordpol, kommen.

Eugen Roth (1895-1976)

Eugen Roth | Ungleicher Kampf

Ein Mensch von innerem Gewicht 
Liebt eine Frau. Doch sie ihn nicht. 
Doch daß sie ihn nicht ganz verlöre, 
Tut sie, als ob sie ihn erhöre. 
Der Mensch hofft deshalb unverdrossen, 
Sie habe ihn ins Herz geschlossen, 
Darin er, zwar noch unansehnlich, 
Bald wachse, einer Perle ähnlich. 
Doch sieh, da kommt schon einszweidrei 
Ein eitler junger Fant herbei, 
Erlaubt sich einen kleinen Scherz, 
Gewinnt im Fluge Hand und Herz. 
Ein Mensch, selbst als gereifte Perle, 
Ist machtlos gegen solche Kerle.

Eugen Roth (1895-1976)

Eugen Roth | Sage

Ein Mensch – ich hab das nur gelesen –
Hat einst gelebt bei den Chinesen
Als braver Mann; er tat nichts Schlechts
Und schaute nicht nach links und rechts;
Er war besorgt nur, wie er find
Sein täglich Brot für Weib und Kind.
Es herrschte damals voller Ruh
Der gute Kaiser Tsching-Tschang-Tschu.
Da kam der böse Dschu-pu-Tsi;
Man griff den Menschen auf und schrie:
„Wir kennen Dich, Du falscher Hund,
Du bist noch Tsching-Tschang-Tschuft im Grund!“
Der Mensch, sich windend wie ein Wurm,
Bestand den Dschuh-Putschistensturm,
Beschwörend, nur Chinese sei er.
Gottlob, da kamen die Befreier!
Doch die schrien gleich: „Oh Hinterlist!
Du bist auch ein Dschuh-Pu-Blizist!“
Der Mensch wies nach, daß sie sich irren. –
Oh weh, schon gab es neue Wirren:
Es folgten Herren neu auf Herren,
Den Menschen hin und her zu zerren:
„Wie? Du gesinnungsloser Tropf!“
So hieß es, „hängst am alten Zopf?“
Der Mensch nahm also seinen Zopf ab. –
Die nächsten schlugen ihm den Kopf ab,
Denn unter ihnen war verloren,
Wer frech herumlief, kahlgeschoren.
So schwer ists also einst gewesen,
Ein Mensch zu sein – bei den Chinesen!

Eugen Roth (1895-1976)

Der Zahnarzt

Nicht immer sind bequeme Stühle 
Ein Ruheplatz für die Gefühle.
Wir säßen lieber in den Nesseln,
Als auf den wohlbekannten Sesseln,
Vor denen, sauber und vernickelt,
Der Zahnarzt seine Kunst entwickelt.
Er lächelt ganz empörend herzlos
Und sagt, es sei fast beinah schmerzlos.
Doch leider, unterhalb der Plombe,
Stößt er auf eine Katakombe,
Die, wie er mit dem Häkchen spürt,
In unbekannte Tiefen führt.
Behaglich schnurrend mit dem Rädchen
Dringt vor er bis zum Nervenfädchen.
Jetzt zeige, Mensch, den Seelenadel!
Der Zahnarzt prüft die feine Nadel,
Mit der er alsbald dir beweist,
Daß du voll Schmerz im Innern seist.
Du aber hast ihm zu beweisen,
Daß du im Äußern fest wie Eisen.
Nachdem ihr dieses euch bewiesen.
Geht er daran, den Zahn zu schließen.
Hat er sein Werk mit Gold bekrönt.
Sind mit der Welt wir neu versöhnt
Und zeigen, noch im Aug die Träne,
Ihr furchtlos wiederum die Zähne:
Die wir – ein Prahlhans, wer‘s verschweigt –
Dem Zahnarzt zitternd nur gezeigt.

Eugen Roth (1895-1976)

Eugen Roth | Theaterbilletts

Ein Mensch besitzt zwei Festspielkarten,
Auf die vielleicht zehntausend warten,
Die, würden sie beschenkt mit diesen,
Sich ungeheuer glücklich priesen.
Der Mensch von diesen schroff getrennt,
Dadurch, daß er sie gar nicht kennt,
Denkt vorerst seiner beiden Schwestern:
„Nein, danke“, heißts, „wir waren gestern.“
Dann fällt ihm noch Herr Müller ein,
Der wird vermutlich selig sein,
Doch selig ist der keinesfalls,
Ihm stehn die Opern schon zum Hals.
Wie konnt ich Fräulein Schulz vergessen?
Die ist auf so was ganz versessen!
„Wie, heute abend, Lohengrin?
Da geh ich sowieso schon hin!“
Herr Meier hätte sicher Lust:
„Hätt vor drei Tagen ichs gewußt!“
Frau Huber lehnt es ab, empört:
„Vor zwanzig Jahren schon gehört!“
Herr Lieblich meint, begeistert ging er,
Wär es für morgen, Meistersinger,
Doch heute abend, leider nein,
Der Mensch läßt es von nun an sein.
Zwei Plätze, keine Sitzer habend,
Genießen still den freien Abend.